Mehrkosten bei Einlagen & Kompression – warum müssen Patienten draufzahlen?
- SW
- 19. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Aug.
Mehrkosten bei Einlagen und Kompressionshilfen: Zwischen Kritik und Realität
Auch 2025 hat der GKV-Spitzenverband – also der Dachverband der gesetzlichen Krankenkassen – seinen aktuellen Mehrkostenbericht veröffentlicht. Die Botschaft: Immer mehr Versicherte zahlen bei Hilfsmitteln wie Einlagen (PG 08) und Kompressionshilfen (PG 17) drauf – und das sei kritisch zu sehen.
Was auf den ersten Blick wie ein klarer Missstand klingt, verdient bei genauerem Hinsehen eine differenziertere Betrachtung. Denn hinter den Zahlen stehen reale Menschen, echte Betriebe und ganz praktische Herausforderungen. Ein Blick hinter die Kulissen hilft, das komplexe Thema besser einzuordnen.
Was kritisiert der GKV konkret?
Laut dem Bericht zahlten im Jahr 2024:
56,08 % der Patienten bei Einlagen eine private Aufzahlung,
32,83 % bei Kompressionshilfen,
mit durchschnittlichen Mehrkosten von 40,30 € (Einlagen) bzw. 31,44 € (Kompression) pro Fall zzgl. der gesetzlichen Zuzahlung.
Die Kassen werten das als bedenklich – auch weil die Aufzahlungen im Vergleich zum Vorjahr weiter gestiegen sind. Offen bleibt dabei jedoch: Warum steigen diese Mehrkosten überhaupt?

Festbeträge – das oft übersehene Grundproblem
Was in der öffentlichen Diskussion häufig untergeht: Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Hilfsmittel nicht unbegrenzt, sondern nur bis zu einem sogenannten Festbetrag. Dieser wurde für Einlagen und Kompressionshilfen zuletzt im April 2020 angepasst – also vor mehr als fünf Jahren.
Seitdem sind jedoch:
Materialkosten (z. B. Schäume, Textilien, Spezialgarn),
Löhne (u. a. durch gesetzliche Mindestlohnerhöhungen),
Energiekosten und Mieten,
und bürokratischer Aufwand deutlich gestiegen.
Kurz gesagt: Die reale Versorgung wird teurer, die Erstattung bleibt gleich.
Wer zahlt die Differenz?
Wenn ein Hilfsmittel – etwa eine individuell angepasste Einlage oder ein modernes Kompressionsstrumpfsystem – mehr kostet als der von der Kasse festgelegte Betrag, müssen Patienten die Differenz privat übernehmen.
In vielen Fällen sind diese Produkte nicht „Luxus“, sondern entsprechen dem heutigen Standard, etwa durch bessere Passform, höhere Hautverträglichkeit oder längere Haltbarkeit. Dennoch liegt ihr Preis oft über dem veralteten Festbetrag.
Der Vorwurf an die Leistungserbringer
Die Kassen stellen sich in ihrer öffentlichen Darstellung häufig so auf, als würden Leistungserbringer unnötige oder überhöhte Aufschläge verlangen. Was dabei jedoch selten erwähnt wird:
Viele Betriebe versuchen, qualitativ hochwertig und beratungsintensiv zu arbeiten – bei gleichzeitig wachsendem Kostendruck.
Die gesetzlichen Vorgaben an Dokumentation, Anpassung und Beratung sind hoch – und oft nicht im Festbetrag abgebildet.
Leistungserbringer können sich nur schwer wirtschaftlich halten, wenn sie ausschließlich zum Festbetrag arbeiten – zumindest nicht ohne Qualitätsabstriche.
Und die Lösung?
Statt pauschal Kritik zu üben, könnten die Krankenkassen:
die Festbeträge regelmäßig an reale Marktpreise anpassen,
Transparenz über Mindeststandards und echte Mehrwerte schaffen,
und gemeinsam mit Leistungserbringern an gerechten und nachhaltigen Versorgungsmodellen arbeiten.
Die geforderte gesetzliche Meldepflicht für Gründe der Mehrkosten kann dabei helfen – aber nur, wenn sie auch dazu führt, die Systemfehler zu korrigieren, nicht allein die Verantwortung auf Betriebe oder Patienten abzuwälzen.
Fazit: Mehrkosten sind kein Zeichen von Willkür – sondern ein Symptom
Die Aufzahlungen bei Einlagen und Kompressionshilfen sind nicht automatisch ein Zeichen von überzogenen Preisen, sondern vielmehr das Ergebnis eines starren Systems, das sich in vielen Bereichen nicht an die wirtschaftliche Realität angepasst hat.
Wer also an der Versorgung spart, spart oft nicht am „Luxus“, sondern an der Qualität. Und genau hier braucht es mehr Offenheit, Transparenz – und den Willen zur Veränderung.
Quellen: OSTechnik, GKV 7.Mehrkostenbericht





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